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Was ist das jetzt schon wieder?

Dies und ähnlich frage ich mich jeden Morgen aufs Neue beim Blick in den Spiegel.

Von so einem Tag will ich euch heute erzählen.

Vorneweg, ich habe keinen Spiegel mehr. Nachdem ich meine damaligen immer wieder aus Reflex zerschlagen habe, hab ich es aufgegeben diese Teile in meine Wohnung zu stellen. Warum werdet ihr fragen, nun…

Wenn man lange alleine wohnt, vermutet man keinen Anderen in der Wohnung.

Wenn man dann aber total verschlafen an einem Spiegel vorbei läuft und eine Bewegung in Augenwinkel wahrnimmt wo keine sein sollte…

ZACK

Scherben und rot siffende Hand.

Echt keine Lust mehr auf so etwas.

Und so beschloss ich mir NIE wieder einen dieser „Seelensauger“ zuzulegen. Zu meinem Glück bin ich Vollbartträger und rasiere mich dementsprechend auch nicht, sonst würde sich diese Prozedur wohl als fleckige, blutige Angelegenheit darstellen.

Wo war ich eigentlich?

Ach ja, ich wollte von einem Tag erzählen.

So, kurz bevor mein Wecker klingelte stand ich plötzlich im Bett:

Verschissene Vögel, was für Krieg rufen die denn da gerade aus. Geht‘s noch lauter? Boa.

Nachdem vor Wut das Fenster zugeknallt habe, lenke ich meine ungelenkten, schlaftrunkenen Schritte in Richtung des Badezimmers.

BÄM…

Welcher Idiot hat die Tasche hier hin den Weg gestellt?

Ach ja, ich wohne ja alleine….

Humpelnd erreiche ich die „Sitzkeramik“, setze mich, greife nebenbei zur Zahnbürste (ja, das Bad ist klein) und beginne mit der morgendlichen Mundhygiene. In Gedanken versunken bemerke ich erst zu spät den komischen Geschmack, welcher sich widerlicherweise in meinem Mund breit macht.

Halten wir fest: Demnächst sollte ich die „alten“ Bürsten, welche ich nur noch zum Bad reinigen benutze, nicht auf dem Waschbecken lagern.

Nach einem 10 minütigen Würgeanfall schnappte ich mir nun die „richtige“ Bürste und schrubbte für weitere 10 Minuten, unter Nutzung eine kompletten Tube Zahnpasta, meine Mundhöhle.

Danach fühlte sich mein großes Gesichtsloch an, wie eine andere Körperöffnung nach „Montezumas Rache“ und roch wie 10 Liter Mojito.

Jetzt noch fix unter die Dusche klettern und den nächtlichen Much vom Kadaver spülen.

Unter den Wasserstrahlen stehend vergaß ich kurz den schmerzenden Zeh und die „Bürstenverwechselung“ indem ich begann in Gedanken zu schwelgen. Diese Momente der Ruhe und morgendlichen Entspannung wurden jedoch jäh unterbrochen vom atonalen Kreischen meiner Türklingel.

Verdammtnocheins welcher Idiot klingelt hier um diese Uhrzeit und vor Allem, wie hat er mein Haus gefunden? Ich bin extra an den Waldrand gezogen um Ruhe zu haben.

Schnell schnappte ich mir ein Handtuch, welches in Griffweite lag und versuchte es mir verzweifelt und ohne Erfolg um meine Hüfte zu wickeln. Zu meinem Unglück war es das Händehandtuch in der Größe eines Waschlappen und so hastete ich im kompletten Adamskostüm zur Tür. Auf dem Weg dahin rammte ich noch einmal mit Schmackes mit meinem Ellenbogen gegen den Türrahmen.

„Können Sie ein Paket für Ihren Nachbarn annehmen?“

Meinen Kopf aus der Tür steckend, und NUR den Kopf, entgegnete ich mit der Lautstärke eines startendes Flugzeuges, er solle diverse Dinge mit seinem eigenen Knie anstellen und er solle sich den scheiß Karton in eine Stelle schieben, an der die Sonne nicht scheint. Außerdem unterstellte ich ihm eine unsagbare Blödheit, da er trotz des Schriftzuges „KEINE WERBUNG EINWERFEN“ immer wieder Werbung in meinen Kasten schmeißt. Auch habe ich einen ABLAGEORT, weshalb klingelt er also immer bei mir?! Dann knallte ich die Tür zu und ließ den nun zitternden Postboten stehen.

Im Nachhinein gebe ich zu, dass ich wohl doch etwas überreagiert hatte, denn ab dem Tag kam ein anderer Bote. Seinen von mir zusammengefalteten Kollegen habe ich NIE wieder gesehen.

Man munkelt, er habe die Branche gewechselt, in der er nichts mit Menschen zu tun hat.

Nach dieser Episode duschte ich flugs fertig, schmiss mir ein Stück Brot in den Magen und verließ das Haus.

Auf dem Weg, weg vom Hof, schaute ich noch schnell in den Briefkasten…

Urplötzlich spürte ich meine Schlagadern pulsieren und hatte den Wunsch, die Kehle des „Briefidioten“ final zu verformen.

In großen Buchstaben sah ich es in meinem Kasten leuchten: WERBUNG

AAAAAHHHHHHHH……

Nach 2 Minuten Schreikrampf verließ ich nun endlich mein Heim und ging in Richtung Stadt.

Auf meinem gewählten Weg begegnete mir, wie erwartet, keine Menschenseele. Stattdessen hüpfte ein junges Reh kurz vor mir über den Pfad. Wir starrten uns kurz an, grüßten (man kennt sich ja) und gingen weiter.

Ihr merkt schon, ich lebe etwas abgelegener als der durchschnittliche Stadtmensch.

Ich hoffe, ihr denkt jetzt aber nicht, dass ich mir jedes Mal zum Einkaufen einen Weg durchs Unterholz schlagen muss. Es ist nicht ganz so schlimm und die Machete ist nur manchmal nötig.

Weiter im Text:

Nachdem ich mit nur verhältnismäßig wenig Blessuren die Innenstadt erreichte, konnte ich mich endlich dem widmen, weshalb ich mich durchs Dickicht geschlagen hatte, Kaffee… dachte ich.

Schon von Weitem erblickte ich ein weiteres Hindernis, welches mich von meinem Ziel trennte:

Die Straße war weg, inklusive Bürgersteig.

Verdammte Scheiße, das ist doch jetzt nicht euer Ernst, gestern war da noch eine zweispurige Pflasterstraße.

Ich trat näher an die Absperrung und vor mir eröffnete sich das sprichwörtliche Maul der Bestie.

Eine Baugrube in Stadiongröße… vollgelaufen mit Schlamm und Wasser.

Wie zum Teufel ist das möglich? Gestern in der Frühe war da noch eine Straße. Normalerweise brauchen „DIE“ doch auch einen Monat um einen Quadratmeter zu pflastern und jetzt schachten sie innerhalb eines Tages einen neuen See aus.

Nun, jetzt hatte ich zwei Möglichkeiten: Schwimmen oder zwei Kilometer Umweg. Da ich mein Faltboot zu Hause gelassen hatte, entschied ich mich für Variante zwei.

Lieber Leser, stell dir nun einmal meine Laune vor: Erwacht von Vogelgekreisch, diverse Verletzungen, die „Postepisode“ und jetzt die „Grube“ mit Umweg.

UND DAS ALLES OHNE EINEN TROPFEN KAFFEE IN DER BLUTBAHN!

Die nächsten zwei Kilometer legte ich quasi mit biblischem Zorn zurück. Man muss mir das wohl auch angesehen haben, da die paar Hanseln, welche mir entgegen kamen, angsterfüllt und hastig die Straßenseite wechselten… ohne auf den Verkehr zu achten. Die diversen Vollbremsungen und Hilfeschreie drangen irgendwie nicht so richtig zu mir durch.

Hinterher berichteten einige Zeitungen, dass wohl ganze Straßenzüge spontan in Flammen aufgingen.

So viel zu meiner Laune, wenn ich morgens keinen Kaffee habe.

ENDLICH, da war es nun, mein Ziel, mein Kleinod, mein „anderes Heim“:

„DAS CAFÉ`“.

Ich betrat die Tür, ein „Guten Morgen“, ein Austausch der Blicke mit dem Kellner und schon stand es vor mir: Das heiße, schwarze, Gold

Ich weiß ja nicht werter Leser, ob du ebenfalls solch ein Kaffeetrinker bist wie ich, wenn ja, dann kannst du es definitiv nachempfinden.

Ich nahm die große Tasse in die Hand. Der erste Schluck, wie er sich olfaktorisch in der Nase bewegt, wie er die Lippen benetzt. Dann flutet er den Mund bis zum Gaumen, umspült die zuckende Zunge, um sich dann „orgasmisch“ in der Kehle zu ergehen…

Ups, ich habe mich wohl etwas hinreißen lassen. Aber ich denke es ist nun klar, wie ich es meine.

Und mit einem Mal war die Wut verraucht… wie weggeblasen, nur noch tiefe Befriedigung und … ja was denn eigentlich?

Nun konnte der Tag endlich beginnen!

An dieser Stelle ende ich und wer weiß, vielleicht geht es bald weiter…

Euer Wörterschmied

Martin Nicklas

Wenn euch diese Geschichte gefallen hat, schaut euch doch einmal das Buch “Dies, Das und Anderes auch noch” an.

Ihr könnt mir auch gerne eine liebe Nachricht auf Instagram hinterlassen: realismus35

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